"Lust auf Neues" zu erwecken ist einer der wichtigsten Faktoren für organisationale Anpassungsfähigkeit, sagt Martin Sachse von Nestlé Professional. Welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, lesen Sie in unserem Interview.
Welche Faktoren waren für Nestlé Professional entscheidend, um bislang gut durch die Corona-Krise zu kommen?
Für uns stand von Anfang an die Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeiter im Vordergrund. So haben wir bereits Ende Februar einen internationalen Reisestopp ausgerufen und haben auch schon angefangen, Teile unsere Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken.
Als nächstes war es natürlich von größter Bedeutung unsere Produktionen aufrechtzuerhalten und das ohne unsere Mitarbeiter zu gefährden. Das ist uns bisher sehr gut gelungen.
Darüber hinaus war und ist es für uns wichtig, auch immer Teil der Lösung eines Problems zu sein. So haben wir mittlerweile nicht nur über 2 Mio. € an Geldern und Waren gespendet, sondern waren von Beginn der Krise immer als Partner an der Seite unserer Kunden – sei es mit Schulungen, speziellen Menü- und Speisen-Konzepten oder einfach nur mit einem „offenen Ohr“.
Unabhängig von Nestlé Professional: Sehen Sie, aufgrund von Corona, für die Zukunft nachhaltige Veränderungen in der Art wie Organisationen arbeiten werden?
In jedem Fall. Ich glaube mittlerweile herrscht ein großer Konsens darüber, dass diese “Krise” uns alle ein bisschen weiter in die Zukunft geschubst hat. Die größte Einigkeit scheint hier wohl bei dem Thema Homeoffice zu liegen. Ich glaube ebenso, dass wir im doch etwas konservativen Deutschland jetzt gelernt haben, dass ein gut organisiertes und ausbalanciertes Konzept zwischen dem Arbeiten im Büro und dem von zu Hause sehr viele Vorteile mit sich bringt – sowohl für das Unternehmen, als auch für die Gesellschaft!
Ich glaube aber auch, dass sich viele weitere Prozesse und Strukturen in unseren Arbeitsweisen schneller verändern werden. Nehmen wir einmal exemplarisch den Vertrieb: Schon in den letzten Jahren hat sich deutlich eine Veränderung abgezeichnet, aber spätestens jetzt mit der Corona-Epidemie wird das Ende des klassischen Vertriebs eingeläutet. Ich glaube nicht daran, dass – wie ich noch vor 15 Jahren – ein Außendienstler den Großteil seiner Arbeitszeit damit verbringt, im Lande umherzufahren und sich bei potentiellen Kunden vorzustellen und sein Netzwerk zu pflegen. Dreiviertel des klassischen Sales-Funnels wird digital stattfinden. Eines wird sich dabei wohl nie ändern – Menschen kaufen von Menschen! Wir lernen nur gerade, dass es dazu nicht immer notwendig ist, dabei im selben Raum zu sitzen.
Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend, damit sich Organisationen auf deutliche Veränderungen des Umfelds (Markt, Gesellschaft) einstellen können? Anders formuliert: Was macht organisatorische Anpassungsfähigkeit aus?
Für mich liegt der Schlüssel in der „Lust auf Neues“! Leider haben wir keine Kultur in Deutschland, die diese Lust besonders fördert. Ich denke in allen Menschen steckt eine ganz natürliche Lust darauf Neues zu entdecken. Wir wissen aber auch, dass es biochemische Abläufe im Gehirn gibt, die uns daran hindern, neue Dinge zu entdecken, bzw. Veränderungen vorzunehmen. Unser Hirn sagt uns immer wieder: „never change a running system“. Mein Lieblingsbeispiel ist hier die tägliche Rasur des Mannes. In der Regel fängt man immer an einer Stelle des Gesichtes an. Versuchen Sie mal an einer anderen Stelle anzufangen, die meisten fühlen sich schon dabei irgendwie unwohl.
Wir müssen also ein Umfeld schaffen, indem wir Veränderungen primär mit etwas Positivem verbinden! Dabei spielt auch die Fehlerkultur eine entscheidende Rolle. In unsere Gesellschaft sind „Fehler“ eher ein Makel – das sehe ich anders! In einer (Unternehmens-) Kultur, in der Fehler erlaubt sind, steigt die Lust auf Neues und somit auch die Flexibilität und Agilität der Mitarbeiter und somit des Unternehmens.