"Aus meiner Sicht entsteht Anpassungsfähigkeit aus drei Bereichen: Struktur, Business Model & Kultur. Diese drei Dimensionen müssen zusammenspielen, um mit gravierenden Veränderungen umzugehen."
Welche Faktoren waren für Ihr Unternehmen entscheidend, um bislang gut durch die Corona-Krise zu kommen?
Ein Faktor bestand darin, klare Prioritäten zu setzen. Bei uns waren es drei: 1) Health & Safety, 2) Aufrechterhalten unserer Geschäftsaktivitäten und 3) unserer gesellschaftlichen Verantwortung in der Schweiz als Unternehmen gerecht zu werden. Damit waren sehr hohe Anforderungen verbunden, denen die jeweiligen Teams bei Nespresso in der Schweiz mit sehr viel Engagement, Kreativität, Eigenverantwortung und Zusammenhalt begegnet sind. Das war einerseits durch sehr klare und flexible Strukturen möglich, in denen jeder weiß, was zu tun ist, aber gleichzeitig genug Spielraum für eigene Entscheidungen bleibt. Mindestens genauso entscheidend ist unsere Kultur, die bereichsübergreifendes Miteinander anstatt “Silodenken” fördert. Das ist das Ergebnis eines sehr guten Entwicklungsprozesses in den letzten Jahren.
Jenseits von Nespresso: Sehen Sie, aufgrund von Corona, für die Zukunft nachhaltige Veränderungen in der Art wie Organisationen arbeiten werden?
Insbesondere das Thema Home-Office wird stark an Bedeutung zunehmen. Wir waren alle sehr positiv überrascht, wie gut die Zusammenarbeit auch auf diesem Wege funktioniert hat. Ich höre das auch von Kollegen aus anderen Unternehmen und gehe davon aus, dass dieser Trend anhält. Aber trotz aller digitalen Möglichkeiten: Der persönliche Kontakt bleibt wichtig – das gilt für Mitarbeiter und für Kunden. Und die Unternehmenskultur muss dabei aktiv gestaltet werden.
Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend, damit sich Organisationen auf deutliche Veränderungen des Umfelds (Marktes, Gesellschaft) einstellen können? Anders formuliert: Was macht organisatorische Anpassungsfähigkeit aus?
Aus meiner Sicht entsteht Anpassungsfähigkeit aus drei Bereichen: Struktur & Führung, Business-Model und Kultur. Bezüglich der Organisationsstrukturen und der Führung ist eine gute Balance zwischen Zentralität und Dezentralität ein wichtiger Faktor. Man sollte nicht alles top-down vorgeben, weil das die Flexibilität einschränkt. Kleinere, dezentrale Einheiten können schneller und oftmals auch angemessener handeln. Daher ist es wichtig, zentral einen flexiblen Rahmen zu entwickeln und gleichzeitig viel Verantwortung in die einzelnen Bereiche zu geben. Ein zweiter Punkt ist, dass das Geschäftsmodell auf mehreren Beinen stehen sollte – z.B. Omnichannel-Marketing, anstatt die Konzentration auf einen Vertriebsweg. Drittens – und das ist vielleicht sogar der wichtigste Punkt – muss die Unternehmenskultur ermöglichen, dass die Menschen in einem Unternehmen eigenverantwortlich und mit Mut gestalten, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Daraus entsteht die Fähigkeit, nachhaltig erfolgreich zu bleiben.