Veränderungen im organisationalen Verhalten und ein starker Bedeutungszuwachs von datengestützter Entscheidungsfindung sind nur zwei von mehreren Aspekten, die Prof. Jörg Rocholl , Präsident der ESMT Berlin, als nachhaltige Auswirkungen der Corona-Pandemie identifiziert.
Welche Faktoren waren für die ESMT entscheidend, um bislang gut durch die Corona-Krise zu kommen?
Wir haben uns unter dem Schirm der Solidarität zusammengeschlossen, um gestärkt aus der Krise zu kommen. Von Anfang an haben wir uns auf drei Punkte fokussiert:
• Wir verpflichten uns, unseren Studierenden und Kunden weiterhin nach besten Kräften zu dienen.
• Wir bereiten uns auf eine negative Situation vor, die länger dauern kann, und bewahren gleichzeitig die Flexibilität, so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren.
• Wir agieren als Gemeinschaft.
Wir haben die Bedeutung der Digitalisierung in der Bildung sowie in der Gesellschaft als Ganzes erkannt, lange bevor das Coronavirus den Präsenzunterricht unmöglich machte. Das hat es uns ermöglicht, unser Lehrangebot schnell an die neue Situation anzupassen. Die reibungslose Umstellung auf Onlinelehre ist auch unseren Studierenden und Kunden positiv aufgefallen.
Unabhängig von der ESMT: Sehen Sie, aufgrund von Corona, für die Zukunft nachhaltige Veränderungen in der Art wie Organisationen arbeiten werden?
Organisationen müssen flexibler werden und auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine neue Flexibilität gewähren, beispielsweise über erweiterte Regeln für das Homeoffice oder fachübergreifendes Arbeiten in agilen Teams. Nicht nur im Organizational Behavior wird es Änderungen geben. Die aktuelle Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig Daten und ihre Analyse für das Treffen von Entscheidungen sind und in Zukunft sein werden. Insbesondere in den Bereichen Visualisierung, Vorhersage und datengestützte Entscheidungsfindung werden Datenkompetenz und Analysefähigkeiten auch langfristig wichtig bleiben. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darin weiterbilden und ihnen bei der Ausführung unter die Arme greifen. Auch sachliche Kommunikation und eine hohe interne und externe Transparenz werden weiterhin eine große Rolle in der Führung spielen, ebenso die Entscheidungsfindung unter Zeitdruck.
Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend, damit sich Organisationen auf deutliche Veränderungen des Umfelds (Markt, Gesellschaft) einstellen können? Anders formuliert: Was macht organisatorische Anpassungsfähigkeit aus?
Führungskräfte müssen verantwortungsvoll und transparent agieren. Sie müssen Ideen aus dem ganzen Team sammeln, Möglichkeiten abwägen und dann Entscheidungen treffen, kommunizieren und umsetzen. Auch wenn es abgedroschen klingt: Jede Herausforderung ist gleichzeitig eine Chance. An der ESMT Berlin durchleuchten wir regelmäßig – und natürlich insbesondere in der aktuellen Situation – alle Bereiche unserer Organisation. So können wir unser akademisches Know-how auf die in der Zukunft wichtigsten Bereiche konzentrieren. Die drei Säulen Leadership, Innovation und Analytics, auf denen unsere akademische und organisatorische Entwicklung seit Jahren beruht, liefern uns die Grundlage, auf der wir nicht nur die akuten Herausforderungen der Krise bewältigen, sondern auch in Zukunft erfolgreich sein können.
Veränderungsprozesse sind komplex und auch mit Risiken behaftet. Deswegen ist nicht nur eine jederzeit transparente Kommunikation wichtig, sondern auch die bereits erwähnte Gemeinschaft. Jeder Einzelne in der Organisation muss die Veränderungen mittragen. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann man solche Krisenzeiten meistern und als Team gestärkt daraus hervorgehen.