"Ich gehe davon aus, dass Wandlungsfähigkeit das klassische Orgchart ablösen wird!"
Welche Faktoren waren für Valora entscheidend, um bislang gut durch die Corona-Krise zu kommen?
Ein ganz zentraler Punkt bei der Krisenbewältigung war, dass wir – bildlich gesprochen – das Orgchart komplett zur Seite gelegt haben. Es war uns sehr schnell klar, dass so eine Situation nur dann erfolgreich bewältigt werden kann, wenn wir unsere Organisation auf den Kontext anpassen. Daher haben wir themenbezogene Taskforces zusammengestellt, in der die Menschen mit der größten Lösungskompetenz für das jeweilige Thema vertreten waren. Hierarchie und Status spielte dabei überhaupt keine Rolle. Das hat uns sehr schnell und flexibel gemacht.
Des Weiteren hat sich erfreulicherweise bestätigt, dass unsere Werte – wie beispielsweise “for and with another” – nicht nur in guten Zeiten funktionieren, sondern auch und gerade in schwierigeren Zeiten tragen. Das hat uns zwar nicht überrascht, aber gerade in der Krise zeigt sich ja erst wirklich, wie tragfähig eine Kultur ist. Und Kultur ist ein Thema, das wir bei Valora schon immer sehr ernst genommen haben.
Ein dritter Aspekt bestand darin, dass wir uns stark fokussiert haben. In so einer undurchsichtigen Zeit ist die Gefahr sehr groß, dass man von der Informationsflut “weggespült” wird. Wir haben sehr frühzeitig entschieden, auf welche Aspekte wir uns konzentrieren wollen und diese auch in wenige, klare KPIs übersetzt. Das hat uns bei unseren Entscheidungen sehr geholfen.
Unabhängig von Valora: Sehen Sie, aufgrund von Corona, für die Zukunft nachhaltige Veränderungen in der Art wie Organisationen arbeiten werden?
Aus meiner Sicht sind das einige. Die Bedeutung von Remote Work wird sicherlich nachhaltig zunehmen, genauso wie digitale Tools sich noch schneller in der Arbeitswelt ausbreiten werden. Gerade für Routinethemen, die in effizienten Onlinemeetings oder per Messenger abgestimmt werden können, sind digitale Tools eine super Lösung. Andererseits sind Menschen nun mal “Social Animals”, die den Austausch brauchen. Und wenn es um Innovation, Kreativität und Kultur geht, bleibt physische Präsenz absolut entscheidend. Insofern gehe ich davon aus, dass Remote Work zunimmt, aber dass sich eine neue Balance zwischen analog und digital einpendeln wird.
Eng damit verknüpft, ist das veränderte Reiseverhalten im Business-Bereich. Die Selbstverständlichkeit, mit der viele Menschen bislang in den Flieger oder in den Zug gestiegen sind, wird abnehmen. Vielmehr wird häufiger gefragt werden: geht das auch anders? Darauf stellen wir uns bei Valora auch in unserem eigenen Business Model bereits systematisch ein.
Darüber hinaus sehe ich einen anhaltenden Trend zu mehr Entschleunigung im Verhalten der Menschen. Damit meine ich, dass die Menschen die Entscheidung, wie sie ihre Lebens- und Arbeitszeit nutzen wollen, bewusster treffen werden. Das vorherige Beispiel mit den Geschäftsreisen passt hierfür eigentlich wieder sehr gut, wobei die Veränderungen noch deutlich darüber hinausgehen werden.
Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend, damit sich Organisationen auf deutliche Veränderungen des Umfelds (Markt, Gesellschaft) einstellen können? Anders formuliert: Was macht organisatorische Anpassungsfähigkeit aus?
Ich gehe davon aus, dass “Wandlungsfähigkeit” das klassische Orgchart in weiten Teilen ablösen wird. Damit meine ich, dass in Bereichen, in denen Kreativität, Leadership und Innovation im Vordergrund steht, flexible Strukturen im Sinne einer Netzwerk- oder Projektorganisation geschaffen werden müssen. Dezentralität ist in diesem Zusammenhang entscheidend.
Gleichzeitig wird es aber auch Bereiche geben, in denen Effizienz im Vordergrund steht, wie z.B. im Supply Chain Management. Dort werden eher klassische Organisationsprinzipien dominieren. Da viele Unternehmen beides brauchen, wird es die Kunst sein, diese hybride Organisation zu managen.
Der eigentlich Kern, um Anpassungsfähigkeit zu erreichen, besteht darin Menschen zu finden, die die Veränderung lieben. Menschen, die beruflich und privat Erfahrung mit Veränderungen haben und diese Erfahrung so an andere weitergeben können, dass die Offenheit und Lust für Veränderung gefördert wird.
Wie gut es gelingt, Wandlungsfähigkeit im eigenen Unternehmen zu entwickeln, wird entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sein.